21. Februar 2013

Verlockende Krunkeligkeit


Das Räsonieren über das Leben und das Sein im Allgemeinen beginnt bei mir nicht nur schon in jungem Alter, sondern auch noch völlig nüchtern und am helllichten Tage...

Wenn man heutzutage kochen lernt, dann kann man eher eine Lasagne* zubereiten als ein gutes deutsches Schnitzel oder kennt fünf verschiedene Rezepte mit Scampi. Aber was man mit einem Kohlkopf anfängt?! Keinen blassen Schimmer. 
Meine Kochbiographie (also seit man das in über 90 Prozent der Fälle als Essen identifizieren kann) ist inzwischen etwas über zehn Jahre lang und durchaus erfolgreich. Aber typisch deutsche Gemüse sind mir bis heute ein Buch mit sechs Siegeln (das siebte hab ich dann doch schon gebrochen). Beispielsweise die Verwendung eines Weißkohls war bei mir bis letztes Jahr auf Kohlrouladen beschränkt. Oder darauf, den als Knabberzeug an ahnungslose Gäste zu verfüttern (aber dazu später).

Seit ich dieses Versäumnis bemerkt habe (und zudem festgestellt habe, dass deutsch kochen auch verdammt billig sein kann), dachte ich mir, ich gehe das mal an. Seit einer Weile fasziniert mich besonders der Wirsingkohl. Immer liegt er da und sieht wesentlich interessanter aus als sein blasserer, vergleichsweise aalglatter Cousin, der Weißkohl. Jedes Mal schaut er mich verlockend an, mit seiner satten grünen Farbe und der ihm eigenen Krunkeligkeit, appetitlich garniert auf seinen dekorativ aufgerollten äußeren Blättern. Und von jeder Seite hört/liest man ja, dass Kohl gerade jetzt im Winter so toll und gesund sein soll.
Hier kuschelt er noch mit seinen Freunden...
Wie gut, dass das Internet jedem hilft, der an eigener Rezeptlosigkeit leidet. Dachte ich. Aber nix da. Trotz einer Stunde intensivem Durchforstens (was bei Rezepten schon der fünften Seite von Google-Suchergebnissen entspricht), war alles mit Fleisch oder zu kompliziert oder hat einfach nicht geflasht. Beim nächsten Einkauf lächelte mich also wieder ein krunkeliges grünes Etwas an und diesmal wollte ich nicht widerstehen - auch wenn er ganz sicher aus konventioneller Massenkohlhaltung kam und jeder von ihnen höchstens so viel Platz für sich hatte wie ein A4-Blatt groß ist. Aber wenigstens kam er aus Deutschland...
Später saßen wir uns am Küchentisch gegenüber, der Wirsingkohl und ich. Ich starrte ihn an und er inspirierte mich so gar nicht. Er wollte mir einfach nicht mitteilen, wie er enden wollte! Also dachte ich mir: „Wir fangen ganz einfach an und was mit Weißkohl funktioniert, wird sicher auch mit dir was.“ Und so schnappte ich mir das große Messer, hackte eine Seite ab, metzelte sie in kleine Stücke und verfrachtete diese in die Pfanne.
...hier kuschelt er nur noch mit der Pfanne
Es stellte sich heraus, dass er durch anbraten zwar braun wird, aber nicht unbedingt weich. Als er langsam anzubrennen drohte, kam noch eine Tasse Wasser** dazu und während des Rauskochens wurde er weicher, blieb aber noch immer bissfest (und ansehnlicher als sein Vetter).  Weil wir noch in der Phase des Anfreundens sind, habe ich ihn nur mit Salz gewürzt und er war phantastisch. Das könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden.
... Oder vielleicht nur einer Freundschaft. Denn wie seine ganze Familie neigt er dazu, Menschen in Produzenten von chemischen Massenvernichtungswaffen zu verwandeln. Das Hinzufügen von Kümmel hilft auch nur bedingt :/




* Als ich den Text vor etwa zwei Wochen vorbereitet habe, war der Supermarkt noch kein Ponyhof

** Ich muss zugeben, dass das auch und vor allem ein Mittel war, jedes Lebewesen, dass da möglicherweise noch drin war, abzutöten. Denn meine wahre Inspiration für den Wirsingkohl war Charlotte Roches Buch "Schoßgebete", das damit beginnt, dass die Hauptheldin ihre Familie mit Wirsingkohl füttert und alle davon Würmer kriegen... Herr Cappitan und ich haben übrigens keine bekommen.

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